Fastentuch

Mag. Art. Doris Frass-Heckermann

Mag. Art. Doris Frass-Heckermann

geboren 1961, wohnhaft in Mödling.
1980-85 Studium Restaurierung und Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei den Professoren Kortan und Mikl.

Künsterlische Arbeiten im kirchlichen Bereich in Mödling:
- Pfingsttuch und Fastentuch für die Pfarre St. Othmar 1999 
- Kreuzweg „Aus der Sicht Jesu“ in Freskotechnik 2002

Entstehung des Fastentuches

Im Sommer 2010 trat die Pfarre Liesing mit dem Wunsch nach einem Entwurf für ein Fastentuch an Frau Frass heran. Auf Grund des Fastentuches in Mödling war der Beschluss dazu im Pfarrgemeinderat gefasst worden. Da die räumliche Situation der beiden Gotteshäuser in keiner Weise vergleichbar ist, musste das Konzept „Fastentuch“ erst neu definiert werden. Normalerweise wurde und wird damit das Retabel des Hochaltars (das ist der Aufsatz des Hochaltares) abgedeckt, um auch das Auge fasten zu lassen und theologische Gedanken zur Fastenzeit zu veranschaulichen.

In der 1953 – 1955 von Architekt Robert Kramreiter erbauten Kirche gibt es kein Retabel. Der Altar, der fast zentral im leicht elliptischen Raum steht, wird stattdessen von einem überdimensionalen Kruzifixus über dem Altar dominiert. Das von Alexander Silveri geschnitzte Kreuz stellt den jugendlich strahlenden Christus dar, dessen Hände nicht wie üblich an das Kreuz genagelt sind, sondern segnend die Menschen umfassen möchten. Die vergoldeten Balken umstahlen den in dunklen Farben gehaltenen Körper. Die Füße ruhen auf der Weltkugel, auf der neben einem tiefen Riss, Gräber und eine Schlange eingeschnitten sind. Damit wird dem Betrachter Christus als Sieger über Elend, Sünde, Tod und Teufel vorgestellt. Die Rückseite des Kreuzes wurde von Franz Deed als Gemmenkreuz gestaltet, das strahlenden Sieg und leuchtende Freude symbolisiert. Die Halbedelsteine sind nicht regelmäßig angeordnet, sondern in kleinen Gruppen zusammengefasst. Zentrum ist das griechische Chi-Rho, das Zeichen für Christus.

Bei der Erstellung des Fastentuches geht es in erster Linie um die Verhüllung dieses Kruzifixus, und zwar um eine Verhüllung nicht nur aus der Sicht der Kirchenbesucher, sondern auch für jene, die sich bei Gottesdiensten im Altarraum aufhalten. Diese Überlegungen führten zur Idee eines „dreidimensionalen Fastentuch-Objektes“: Frau Frass hatte die Idee einer das Kruzifix verhüllenden Wolkensäule, die über dem Altartisch steht und die Gegenwart Gottes anzeigt. 

In weiterer Folge bot Frau Frass in 7 Variationen eine solche Verhüllung an. Damit wird einerseits das Auferstehungssymbol dieses Kreuzes für die Dauer der Fastenzeit verhüllt, andererseits lässt die Verhüllung durch ihre transparente Wirkung das österliche Geheimnis, auf das wir in dieser Zeit hinsteuern, durchschimmern. 

In Abstimmung mit Vertretern aus dem Pfarrgemeinderat wurden schließlich folgende Vorgaben gemacht: Die Verhüllung sollte in einer ovalen Form gefertigt werden, um das Objekt nicht zu wuchtig werden zu lassen und auch aus praktischen Gründen beim Handling des Wegräumens und Lagerns. Daher sollte der kleinere Durchmesser der ovalen Form maximal 2 Meter betragen, um den Ring, auf dem das Fastentuch angebracht ist, türgängig zu halten. Beim Stoff wurde ein weißer zarter transparenter Stoff bevorzugt eventuell mit Beleuchtung, um die Wolkenhaftigkeit zu betonen und das Auferstehungssymbol des Kreuzes hoffnungsvoll in der Fastenzeit anklingen zu lassen. Um die Wolkenhaftigkeit zu betonen sollten obere und untere Begrenzung des Stoffes ungleichmäßig sein. Das Objekt sollte nicht zu körperhaft sein und mit geringem Aufwand angebracht und entfernt werden können. 

Ab Jänner erfolgte die Umsetzung, wobei Frau Frass für die Hängekonstruktion Herrn DI Manfred Steindl aus Mödling zuzog. Er fertigte eine Edelstahl-Ellipse mit 19 unterschiedlich langen demontierbaren „Spießen“, auf die der Stoff in 40 cm Abständen eingehängt werden kann, wodurch sich eine unregelmäßige Oberkante ergibt. Die Montage und Aufhängung erwies sich als kompliziert, da der Edelstahl-Reifen zur Anbringung des Tuches rund um das Kruzifix heruntergelassen werden können muss, ohne die Figur zu beschädigen. Schließlich wurde über dem Licht-Okulus in der Kuppel eine Handwinde montiert, die mittels eines Stahlseiles, das sich über einen leicht gebogenen Metallbügel auf zwei Seile aufteilt, die Ellipse samt Stoff hochzieht. Zwei weitere dünne Nylonschnüre dienen zur Fixierung und Austarierung der Ellipse. Die ebenfalls unregelmäßige Unterkante des Tuches berücksichtigt eine freie Sicht auf Ministranten und Zelebranten, deckt aber das Kruzifix komplett ab. Bei der Stoffauswahl spielten Transparenz, Farbe, Glanz und Körperhaftigkeit eine große Rolle. Der leicht gecrashte Vorhangstoff „Peperno“ aus einer Manufaktur in Mailand erfüllte alle Voraussetzungen. Er wurde in vier Bahnen zu je 2 Metern Breite und 5 Metern Länge zugeschnitten und zu einem Zylinder zusammengenäht (Gesamtumfang etwa 10 Meter in gedehnten Zustand, Höhe durchschnittlich 5 Meter). 19 mit Kunststoff verstärkte Stofftaschen wurden an der Oberkante angenäht. Die unregelmäßigen Über- und Unterkanten wurden mit Silberdraht verstärkt, versäubert und formbar gemacht.

Die erste Probehängung erfolgte am 22. 02. 2011 mit einer Handwinde, zwei Hängeseilen und zwei Korrekturseilen. Es wurden Modifizierungen an der Aufhängung und der Stoffunterkante beschlossen.

Die endgültige erste Hängung erfolgte am 08. 03. 2011 (Faschingsdienstag). Dabei stellte sich heraus, dass die für das Kreuz bereits vorhandene Beleuchtung ausreichend ist. Aus optischen Gründen und um eine Verdeckung von Ministranten und Zelebranten durch das Fastentuch zu vermeiden, wurde das Kruzifix etwa 40 cm höher gehängt.

Schreibe einen Kommentar