Exerzitien – An die Quellen des Lebens

16. Februar 2022 Aus Von Erwin Traxler
Exerzitien – An die Quellen des Lebens

Grüß Gott in KaRoLieBe!

Wir befinden uns mitten im Fasching! Er kann vielleicht nicht so gefeiert werden, wie wir es gewohnt sind. Aber, so wie alles ein Ende hat, beginnt nach dem Faschingsdienstag mit dem Aschermittwoch die österliche Bußzeit. In dieser besonderen Zeit, in der wir uns auf Ostern vorbereiten, möchte ich Sie wieder zu Exerzitien im Alltag einladen. Sie werden über die WhatsApp Gruppen gepostet und in den Pfarren Liesing und Kalksburg in Präsenz angeboten.
Da es die letzten Exerzitien in meiner aktiven Arbeitszeit sein werden (ab September in Pension), habe ich etwas Besonderes vorbereitet: „Heilige“, also herausragende christliche Persönlichkeiten begleiten uns durch diese Tage, und zwar beginnend mit den sog. Wüstenvätern bis herauf in die Gegenwart.
Wer die Exerzitien mitmachen oder die Texte ausgedruckt in einer Mappe haben möchte, möge sich bitte bei mir oder in der Pfarrkanzlei melden. Ich freue mich auf diese Zeit mit euch!
Mit liebem Gruß, Pfarrassistentin Roswitha Sternberg

2. März Warum dieses Thema
Als ich im Herbst 1998 in Kalksburg mit meiner Arbeit als Pfarrassistentin begann, schenkte mir Dr. Christoph Benke, der damalige Moderator der Pfarre, ein von ihm geschriebenes Buch. Der Titel lautete: „An den Quellen des Lebens“. Es war ein Buch über sogenannte „Heilige“: Männer und Frauen, die über all die Jahrhunderte hin versucht haben, Gott zu suchen und Jesus Christus nachzufolgen, in je eigener Weise, den Jahrhunderten und den Nöten der Zeit folgend. Das Buch ist als Exerzitien für den Alltag strukturiert. Im Laufe der vielen Jahre meiner Tätigkeit in der Pfarre, vertiefte ich mich in die eine oder andere Person, ließ mich inspirieren, oder auch abschrecken ob des Ungewöhnlichen dieser spezifischen Nachfolge.
Beim Nachdenken über den Titel der Exerzitien im Alltag – der letzten meiner Berufstätigkeit! – kam mir dieses Buch wieder in den Sinn. Um den Reichtum der Geschichte der Spiritualität im katholischen Glauben mit Euch allen zu teilen, werden uns „Heilige“ durch die Vorbereitungszeit auf Ostern hin begleiten.

3. März: zur Frage der Auswahl der Heiligen
Eine schwierige Entscheidung! So kurze Zeit und so viele Heilige! Wie soll man, im Blick durch die Jahrhunderte, den vielen Frauen und Männern gerecht werden, die ihr Leben ganz in den Dienst Gottes gestellt haben, die sich von Jesus Christus mit Haut und Haaren ergreifen ließen?
Die folgende Auswahl ist ein Versuch, Männer und Frauen gleichermaßen zu berücksichtigen, von den Wüstenvätern bis zur jüngeren Vergangenheit. Einige sind bekannt und beliebt, andere weniger. Außerdem sollten Heilige aus anderen Kirchen auch vorkommen …
In den folgenden fünf Wochen plane ich, je drei Heilige pro Woche vorzustellen: 1. zu Beginn eine kurze Vita, dann 2. Aussprüche oder Texte und schließlich 3. Fragen dazu. Am Donnerstag erfolgt eine Wiederholung. Wichtig wird die Eigenverantwortung sein: Bei dem, zu bleiben, was mich ‚anspringt‘ (Gedanken, Text, Frage …). Man muss also nicht alles lesen und betrachten!
Ich wünsche uns allen ein gutes Hineinfinden in das Leben der genannten Menschen. Sie mögen mit uns den Weg auf Ostern zu gehen!

1. Woche – 4. März 22

Wanderung durch die Wüste

Origenes (um 185-254)

1.
Origenes ist nicht „offizieller“, aber dennoch allgemein anerkannter „Kirchenvater“; christliche Theologie ohne Origenes, den fruchtbarsten Schriftsteller der Alten Kirche, ist kaum vorstellbar. Als Theologe suchte der 185 in Alexandrien Geborene die Brücke zwischen Christus und der griechischen Geisteswelt; er war schon zu Lebzeiten auch außerhalb der Kirche allgemein anerkannt. Daneben leistete Origenes Bahnbrechendes für die Bibelauslegung. Origenes starb an Folterungen, die er in der Verfolgung unter Kaiser Decius erlitten hatte.

2.
Das Brot der Engel

„Hast Du einmal eingesehen, wieviel Ruhe der Weg der Weisheit enthält, wieviel Anmut, wieviel Erfreuliches, so entwinde dich nicht, sei nicht nachlässig, sondern unternimm die Wanderung und fürchte dich nicht vor der Einsamkeit der Wüste. Denn auch dir, wenn du in solchen Zelten zu wohnen beginnst, wird das himmlische Manna begegnen und du wirst das Brot der Engel essen. Nur musst du anfangen, und es darf dich … die Verlassenheit der Wüste nicht schrecken.“

3.
+ Welche Grundstimmung spricht aus diesem Text?

+ Sei nicht nachlässig: Worin trifft mich dieses Wort?

+ Was (oder: wer?) ist mir Manna und Brot der Engel auf dem Weg durch die Wüste?

+ Wo lasse ich mich allzu leicht durch Schwierigkeiten abschrecken?

+ Bibelstellen: Ex 16; 1 Kön 17,2-6; 19,3-8; Joh 6,32-35.48-51.

1. Woche – 5. März 22   

Aus der Überlieferung der Wüstenväter

Askese als „seelisches Konditionstraining“

1.
Im 3. und 4. Jahrhundert n.Chr. verließen viele Menschen (zunächst in Ägypten) die Städte und Dörfer. Sie siedelten sich alleine oder in kleinen Gruppen am Rand bzw. in der Wüste an und begannen ein Leben der Ent¬haltsamkeit, der Arbeit und des Gebetes.
Sie wollten Gott suchen und Gott schauen. Jesus nennt in der Bergpredigt die Bedingung dafür: die Reinheit des Herzens (Mt 5,8). Die Askese diente den Vätern der Wüste dazu, die Landschaft der Seele zu ordnen und alle Kräfte auf das Ziel der Herzensreinheit hin auszurichten.
Die zuerst mündlich, später schriftlich überlieferten Szenen sind Momentaufnahmen. Dennoch enthalten sie Allgemeingültiges für die Suche nach Gott und die Jesusnachfolge jedes Christen.

2.
Man erzählte von Abbas Or und Abbas Theodor: Sie machten gute Anfänge und dankten Gott in allem.

3.
Jeden Tag einen guten Anfang machen: Jeder Tag steht für sich, ist so wie ein eigenes Leben. Ich darf darin einen guten Anfang machen.

Jeden Tag einen guten Anfang machen … Konkret: den Tag mit Gott beginnen (z.B. Kreuzzeichen, Gebet).

Jeden Tag einen guten Anfang machen … Jeden Tag eine Linie, etwa: Jeden Tag etwas tun, und zwar gut, innerhalb des eigenen Bereiches und Vermögens.

+ „… und dankten“: „Verdankte Existenz“ — das Programmwort eines Menschen, der den Glauben an die Schöpfung und Erhaltung allen Lebens durch Gott am eigenen Leben durchbuchstabieren will. — Bin ich zum Dank fähig? Den Dank einüben — eine Aufgabe nicht nur dieses Tages.

+ Bibelstelle: 1 Kor 4,7

Ein Altvater sprach: „Wir kommen deshalb im Guten nicht voran, weil wir nicht Maß zu halten verstehen, noch auch bei angefange¬nen Arbeiten Geduld haben, sondern die Tugend ohne Mühe erlangen möchten.“

+ Lässt sich das Leben nicht als Kunstwerk verstehen? Es bedarf der Inspiration des Herzens, dann der Entwicklung christlicher Grundhaltungen und schließlich der bescheidenen, konsequenten Arbeit. Kann ich einer einzigen und wichtigen Sache regelmäßig und einer längeren Zeit hindurch Aufmerksamkeit widmen?

 

1. Woche – 6. März 22

Bernhard von Clairvaux (1090-1153)
Im Zentrum: Jesus

1.
Bernhard von Clairvaux ist geprägt von der Tradition der Kirchenväter, zugleich ist er schon ein Mensch der „Neuzeit“. Die Zisterzienser erhalten von ihm entscheidende Impulse und verdanken ihm ihren kolossalen Aufschwung im 12. und 13. Jahrhundert.
Hatte bis ins 11. Jahrhundert eher die Verehrung der Gottheit Christi domi¬niert, er¬wachte jetzt zuneh¬mend das In¬teresse für die irdisch-menschliche Dimension der Gestalt Jesu Christi. Alles an Jesus kündet: Gott hat uns zuerst geliebt.

2.
Jesus ist nicht nur Licht, er ist auch Nahrung. Spürst du nicht, sooft du seiner gedenkst, wie du stark wirst? Wie dein Geist sich weitet? […] Schal bleibt alle Speise der Seele, wenn ihr nicht dieses Salz beigege¬ben wird […] Wenn du etwas schreibst, dann ge¬fällt mir das nur, wenn ich dabei von Jesus lese. Wenn du disputierst und argumentierst, dann habe ich nur Freude, wenn dabei Jesus ertönt. Denn Jesus ist wie Honig im Munde, wie eine Melodie im Ohr, wie ein Jubel im Her¬zen.

3.
Bernhard ist von Jesus fasziniert. Jesus ist der Grundton seines Lebens. Würde ich das auch wollen?

Jesus ist das „Salz“ des Lebens: Wo Jesus fehlt, schmeckt das Leben schal. Kann ich das nachempfinden?

+ Jesus im Denken, Schreiben, Sprechen: Mein Tun, meine Arbeit, mein ganzes Leben soll „Jesus ausdrücken“, soll Jesus zur Sprache bringen.

(2) Bernhard schaut oft auf den leidenden Jesus: Die Szene vor Pilatus zeigt der Welt den „wahren Menschen“. In einer Predigt über Hohelied 2,14 kommt Bernhard auf das Leiden Jesu zu sprechen, indem er zwischen dem „Felsennest“ und den Wundmalen Christi eine Verbindung herstellt. Das Leiden des Gottessohnes gewährt Einblick in das Herz Gottes:

„Ich aber eigne mir voll Zuversicht, was mir von mir aus fehlt, aus dem Herzen des Herrn an, weil es von Erbarmenüberfließt und die Spalten nicht fehlen, durch die es ausfließt. Sie haben seine Hände und Füße durchbohrt, haben seine Seite mit einer Lanze durchstochen … Der durchbohrende Nagel ist mir zum öffnenden Schlüssel ge¬worden, die Ab¬sichten des Herrn zu durch¬schauen. Warum sollte ich nicht durch diese Öff¬nung schauen? Laut ruft es der Nagel, laut ruft es die Wunde, dass tatsächlich Gott sich in Christus die Welt versöhnt hat. `Kaltes Eisen durch-bohrte seine Seele` und `brachte sein Herz dem unseren näher`, so dass es nicht mehr ohne Mitgefühl sein kann mit meinen Schwächen. Die Schleier seines Herzens sind durch die Wunden seines Leibes gelüftet. Offen liegt das große Geheimnis seiner Liebe. Offen¬bar ist das tiefinnerste Er¬barmen unseres Gottes. Trat durch die Wunden nicht sein Innerstes zu¬tage?“

3
+ Ich mache mir bewusst: Das Leiden Jesu hat offenbarende Kraft. In der Passion seines Sohnes gibt Gott zu erkennen, was ihn eigentlich bewegt. Das Leiden des Gottessohnes gewährt „Einblick“ in das Innerste Gottes, in das Wesen Gottes und zeigt, wie Gott ist: Der „durchbohrende Nagel“ wirkt wie ein öffnender Schlüssel“. Es wird ansichtig, was Gott für die Welt und für mich will.

+ „Gott hat sich in Christus die Welt versöhnt“: Die letzte Ab¬sicht Gottes heißt Versöhnung. Der Ur-Grund ist Liebe: Das wurde gerade durch die Wunden des Gottessohnes deutlich.

+ Ich wähle eine Szene aus der Leidensgeschichte eines Evange¬listen aus und versuche, der Tiefe der Leidenserfahrung im ge¬kreuzigten Christus nachzuspüren.

+ Bibelstelle: 1 Kor 2,2

1. Woche – 7. März 22

Bernhard von Clairvaux
Das Maß der Gottesliebe ist die Maßlosigkeit

1.
Bernhards Werk umfasst 2700 Schriften (Predigten, Briefe, Traktate). Hier eine kleine Kostprobe aus dem reichen Schrifttum Bernhards:

2.

Auf dem Weg des (geistlichen) Lebens nicht voranschreiten heißt: zurückgehen.

Niemand gelangt mit einem Mal zur Höhe. Im Aufstieg, nicht im Flug wird die Leiter erklommen.

Auch wenn meine Schlechtigkeit groß ist, deine Liebe, Herr, ist immer noch größer.

Es ist frevelhaft, von Gott zu denken, er könne seine Barm¬herzigkeit dir gegenüber zurückhalten und sein Ohr von deinem Schreien und Schluchzen abwenden.

Wer dem Lamm folgen will, dessen Inneres muss gedehnt und ge¬weitet werden.

Das Maß der Gottesliebe ist die Maßlosigkeit.

Wenn du das Wort Gottes bewahrst, wirst du ohne Zweifel auch von ihm bewahrt.

3.
Ich wähle drei Sätze aus, die mich ansprechen, verbleibe bei ihnen, „koste“ sie.

Was sagen sie mir für die Gestaltung meines Lebens?

Was tröstet mich? Was fordert mich heraus?

1. Woche – 8. März 22

Klara von Assisi (um 1193-1253)
Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden

1.
Klara, immer getragen vom Bewusstsein der Liebe Gottes, wird im Dokument ihrer Heiligsprechung neue Frau genannt. Mit 17 Jahren flüchtet sie, eine ge¬bildete Adelstochter, aus dem Elternhaus. Sie lässt sich in San Damiano nieder, grün¬det eine Frauengemeinschaft, will die strenge franziskanische Armut be¬achten. Klara wird schließlich die erste Verfasserin einer Ordens¬regel für Frauen.
Franziskus von Assisi und Klara gehören zusammen. Die franziskani¬sche Bewegung verstand sich immer als ein Orden, der aus „Minderen Brüdern und Schwestern“ besteht; getrennt lebend, aber geistlich-geistig eins.

2.
Seit Beginn ihres Weges in der Nachfolge Jesu lebt Klara bis zu ihrem Tod an einem einzigen Ort: in dem kleinen Kloster San Damiano bei Assisi. Sie ist gebunden an diesen Ort – und dennoch zeitlebens voller Bewegung und Dynamik, wie ein Satz ihres geistlichen Testaments erkennen lässt:

„Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden.“

3.
– Das Bild vom Weg ist der Bibel wesentlich. Welche Stellen oder welche Personen der Heilsgeschichte fallen mir dazu ein?
– Wer dem Sohn Gottes nachfolgen will, muss beweglich, in Bewegung bleiben.
– Ich mache mir bewusst: Wie Abraham, wie Franziskus, wie Klara bin ich von Jesus zu neuen, mir noch nicht bekannten Ufern ge¬rufen.
– Bibelstellen: Ps 25,4; Joh 14,1-6.

1. Woche – 9. März 22

Klara von Assisi
Kontemplation

1.
Kontemplation meint: Auf dem Weg zu Gott soll es auch ein ruhendes Verweilen geben; eine Zeit, in der man auf das Ziel – Gemeinschaft mit Gott in Christus – schaut. Kontemplation lebt vom Vertrauen, dass darin der Mensch in das, worauf er schaut, umgewandelt wird: in Christus. Klara rät in einem Brief [mit Spiegel meint Klara Christus]:

2.
In diesen Spiegel schaue täglich und betrachte dauernd in ihm dein Antlitz.

3.
– sich in Christus betrachten: Mit Antlitz meint Klara das eigentliche Ich. Dieses kann ich nicht in jedem Spiegel erkennen. Im Gebet werde ich nach und nach mein wahres Selbst erken-nen. M.a.W.: Der Spiegel der Erkenntnis Gottes und der Erkenntnis meiner Selbst ist das Du – und zwar das Du des Mitmenschen und das Du des göttlichen Gegenübers.
– Bibelstellen: Ps 123,2.

2a.
[aus einer Lebensbeschreibung Klaras]
Sie lehrte die Schwestern vor allem, jeglichen Lärm aus der Wohnung des Herzens zu vertreiben, damit sie den Geheimnissen Gottes allein anzuhangen vermöchten.

– Mein Lebensstil wirkt sich auf mein Inneres aus – auch auf mein Gebet. Was fördert, was dämpft, was beruhigt den Lärm in der Wohnung des Herzens? Welche Erfahrungen habe ich damit gemacht? Welche Zusammenhänge kann ich beobachten zwischen meinem Lebensstil und dem inneren Frieden?

1. Woche – 10. März 22

Rückschau der ersten Woche
Wiederholungsbetrachtung

„Wiederholungsbetrachtung“ ist ein Begriff aus der Tradition der Geistlichen Übungen (Exerzitien) des Ignatius von Loyola (1491-1556, Gründer des Jesuiten¬ordens). Bei dieser „Wiederholungsbetrachtung“ sollen jene „Teile beachtet werden, bei denen die Person eine bestimmte Erkenntnis, Tröstung oder Trostlosigkeit verspürt hat“ (Exerzitienbuch Nr. 118).

Im Rückblick auf die letzte Woche beschäftige ich mich nochmals mit jener Person, die mich am meisten fasziniert hat: Wer hat mich am meisten angesprochen? Warum? Ich versuche, das herauszufinden.
Eine andere Möglichkeit: Ich nehme mir noch einmal die Einheit her, die mir beim ersten Mal schwer zugänglich war.
Oder: Ich schreibe in einem Brief die Eindrücke und Erfahrungen dieser Woche nieder.

2. Woche – 11. März
Mechthild von Magdeburg (um 1208-1282)
Das fließende Licht der Gottheit

1.
Mechthild wird, adeliger Abstammung, um 1208 im Erzbistum Magdeburg gebo¬ren. Zwanzigjährig zieht sie nach Mag¬deburg, wo sie 30 Jahre lang lebt und von Dominikanern begleitet wird. Ca. 1250 erhält Mechthild den Auftrag ihres Beichtvaters zur Schilde¬rung ihrer seeli¬schen Erfahrungen mit Gott. Diese in Versen abgefassten Texte (Das fließende Licht der Gott¬heit) orien¬tieren sich stark am alttestamentlichen „Hohelied der Liebe“.
Für Mechthild ist die Welt eine Ordnung, die von der Liebe (Minne) bewegt wird. Die Liebe Gottes ergießt sich in die Seelen, weil Gott Sehnsucht nach dem Menschen hat.

2.
O Du gießender Gott in Deiner Gabe!
O Du fließender Gott in Deiner Minne!
O Du brennender Gott in Deiner Sehnsucht!
O Du verschmelzender Gott in der Einung mit Deinem Lieb!
O Du ruhender Gott an meinen Brüsten!
Ohne Dich kann ich nicht mehr sein.

3.
Ich liste die Zeitworte dieses Textes auf: Welche Dynamik spricht sich in ihnen aus? Welche Atmosphäre vermitteln sie?

Mechthild sagt, dass Gott vor Sehnsucht nach dem Menschen brennt. Ich versuche, das nachzuempfinden: Gott brennt vor Sehnsucht nach mir …

Das fließende Licht ist ein Bild für das Wesen Gottes: Gott will sein Leben und seine Fülle nicht für sich behalten, sondern mit-teilen. Wo konnte ich umsonst Erhaltenes (Geschenktes, Gaben, Talente) mit-teilen?

2. Woche -12. März

Mechthild von Magdeburg
„Aufsteigen – sich neigen“

1.
Liebe muss, so Mechthild, überfließen, denn das gehört zum Wesen der Liebe. Der Mensch muss aus der von Gott erhaltenen Fülle zu „fließen“ beginnen: zu Gott zurück, auf dem Weg über die Sünder und die Bedürftigen. Darin geschieht eine Nachahmung des fließenden Gottes.

2.

Gott spricht:
Wenn ich je außerordentliche Gnaden gab,
suchte ich immer den niedrigsten Ort,
die geringste, verborgenste Stätte.
Die höchsten Berge können sich nicht beladen
mit der Offenbarung meiner Gnaden,
denn die Flut meines Heiligen Geistes
fließt von Natur aus zu Tal.

Die aufsteigende Sehnsucht
und die sich neigende Demut
und die fließende Minne,
diese drei bringen die Seele vor Gott.

3.

Mechthild spricht oft vom Fließen – ein Bewegungswort. Liebe ist kein starrer Zustand. Kann ich noch etwas von diesem Fließen nachempfinden?

Die Dynamik der Liebe hat eine Zielrichtung. Gott sucht sich den niedrigsten Ort für seine (außerordentlichen) Gnaden. Wo ist dieser niedrigste Ort, die geringste, verborgenste Stätte in meinem Leben, in meiner Lebenswelt, in meiner Umgebung?

Die Flut des Heiligen Geistes ist im Tal zu finden: Was könnte das für mich bedeuten? Von welchem Podest muss ich herunter?

2. Woche – 13. März

Johannes Tauler (um 1300-1361)
„Trage deinen Mist auf den Acker Gottes“

1.
Johannes Tauler wurde um 1300 in Straßburg geboren. Er trat jung in den Dominikanerorden ein, studierte u.a. in Köln. Seine Aufgaben bestanden in der Predigt sowie in der Seelsorge in ordenseigenen Frauen¬klöstern.
Die Zeit Taulers ist geprägt von gesellschaftlichen und religiösen Auflösungs¬erscheinungen. Damals war die Frage: Wohin kann sich der Mensch retten, wenn überkommene Strukturen nicht mehr tragen?

2.
Das Pferd macht Mist in dem Stall, und obgleich der Mist Un¬sauberkeit und üblen Geruch an sich hat, so zieht doch das¬selbe Pferd denselben Mist mit großer Mühe auf das Feld; und daraus wachsen der edle schöne Weizen und der edle süße Wein, die niemals so wüchsen, wäre der Mist nicht da.
Nun, dein Mist, das sind deine eigenen Mängel, die du nicht be¬seitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst, die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Streue deinen Mist auf dieses edle Feld, daraus sprießt ohne allen Zweifel in demütiger Gelassen¬heit edle, wonnigliche Frucht auf.

3.
Dein Mist, deine Mängel: meine Schattenseiten; was ich an mir nicht mag …

Der Glaube an das Evangelium (vor allem: der Osterglaube) be¬sagt: Gott kann aus allem, selbst aus dem Negativen, dem Sündigen, dem Abgründigen etwas Neues, Lebendiges, Lichtvolles, Gutes machen. Alles – sogar das Böse – kann noch einmal dem neuen Leben dienen. Kann ich darauf vertrauen?

2. Woche – 14. März

Johannes Tauler (um 1300-1361)
„Trage deinen Mist auf den Acker Gottes“

2.
Das Pferd macht Mist in dem Stall, und obgleich der Mist Un¬sauberkeit und üblen Geruch an sich hat, so zieht doch das¬selbe Pferd denselben Mist mit großer Mühe auf das Feld; und daraus wachsen der edle schöne Weizen und der edle süße Wein, die niemals so wüchsen, wäre der Mist nicht da.
Nun, dein Mist, das sind deine eigenen Mängel, die du nicht be¬seitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst, die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Streue deinen Mist auf dieses edle Feld, daraus sprießt ohne allen Zweifel in demütiger Gelassen¬heit edle, wonnigliche Frucht auf.

3.

Mit großer Mühe: Die Verwandlung der eigenen Mängel in etwas Positives, Fruchtbringendes braucht sorgfältige Arbeit und An¬strengung. Keine Frucht ohne Mühe.

Was möchte ich auf den Acker des liebreichen Willens Gottes tragen, um es Gott zu¬ bringen und daraus Neues entstehen zu lassen?
Ich fasse eine be¬stimmte Schwäche, einen Mangel, eine ungute Verhaltensweise ins Auge und gebe mir in der Auswertung des Tages darüber Rechenschaft.

Bibelstellen: Lk 7,36-50; Röm 2,4.

2. Woche – 15. März

O Feuer und Abgrund der Liebe!
Katharina von Siena (1347-1380)

1.
Katharina war die jüngste Tochter eines Färbers und strebte schon als Kind nach einem religiösen Leben. Gegen den Widerstand ihrer Eltern trat sie in den dritten Orden des hl. Dominikus ein. Bald sammelten sich um Katharina Gleichgesinnte, eine geistige Familie. Sie orientierte sich an Franz von Assisi, übte strenge Askese, die sie allerdings ihrem Freun¬deskreis nie empfahl.
Die folgenden Texte sind Gebete, die fassungslos-staunend vor der Wahrheit stehen: Gott ist verliebt in sein Geschöpf.

2.
Wieso schufst Du also, ewiger Vater, Dein Geschöpf da? … Das Feuer hat Dich also dazu gezwungen. O unsagbare Liebe! Ob¬wohl Du in Deinem Licht alle Untaten voraussahst, die Dein Ge¬schöpf gegen Deine grenzenlose Güte begehen sollte, hast Du Dein Gesicht so verstellt, als sähest Du nicht. Im Gegenteil, Du hast Dein Auge auf der Schönheit deines Geschöpfes ruhen lassen und hast Dich wie verrückt und trunken von Liebe in es verliebt. Aus Liebe hast Du es aus Dir hervorgezogen … Die Liebe hat Dich gezwungen, Dein Geschöpf zu erschaffen … Du hast Deine Augen von der Kränkung, die kommen musste, abgewandt und sie aus¬schließlich auf die Schönheit Deiner Kreatur geheftet … Du ließest in Deiner Liebe nicht locker. Du bist ja durch und durch ein Feuer der Liebe und ganz vernarrt in Dein Geschöpf.

3.
Was ist das Haupt¬thema dieses Gebetes? Worum geht es?
Spricht es mich an?
Ich versuche, es Satz für Satz und Wort für Wort zu meditieren und nachzubeten.

Bibelstellen: Jer 31,3; Hos 11,1-11; Joh 1,14.18.

2. Woche – 16. März

Katharina von Siena
Du hast Dich ganz klein und dadurch den Menschen ganz groß gemacht.

2.
Du hast Dich ganz klein und dadurch den Menschen groß ge¬macht. Selber mit Schmach gesättigt, hast Du ihn in Glückselig¬keit getaucht. Selber Hunger leidend, hast Du ihn im Überschwang Deiner Liebe satt gemacht. Dich des Lebens beraubend, hast Du ihn mit Deiner Gnade bekleidet … Verdunkelt durch die Annahme des Menschseins, hast Du ihm das Licht gebracht. Ausgespannt am Kreuz, hast Du ihn umarmt. Du hast ihm zur Zuflucht vor seinen Feinden in Deiner Seite eine Höhle bereitet. In dieser Höhlung kann er Deine Liebe erkennen, weil Du darin zeigst, dass Du ihm mehr geben wolltest, als was Du mit begrenztem Wirken hättest geben können. Dort hat er das Bad gefunden, in dem das Antlitz seiner Seele vom Aussatz der Sünde rein geworden ist.

3.
Was ist das Haupt¬thema dieses Gebetes? Worum geht es?
Spricht es mich an?
Ich versuche, es Satz für Satz und Wort für Wort zu meditieren und nachzubeten.

Bibelstellen: Phil 2,6-11

2. Woche – 17. März

Rückschau der zweiten Woche
Wiederholungsbetrachtung

„Wiederholungsbetrachtung“ ist ein Begriff aus der Tradition der Geistlichen Übungen (Exerzitien) des Ignatius von Loyola (1491-1556, Gründer des Jesuiten¬ordens). Bei dieser „Wiederholungsbetrachtung“ sollen jene „Teile beachtet werden, bei denen die Person eine bestimmte Erkenntnis, Tröstung oder Trostlosigkeit verspürt hat“ (Exerzitienbuch Nr. 118).

Im Rückblick auf die letzte Woche beschäftige ich mich nochmals mit jener Person, die mich am meisten fasziniert hat: Wer hat mich am meisten angesprochen? Warum? Ich versuche, das herauszufinden.
Eine andere Möglichkeit: Ich nehme mir noch einmal die Einheit her, die mir beim ersten Mal schwer zugänglich war.
Oder: Ich schreibe in einem Brief die Eindrücke und Erfahrungen dieser Woche nieder.

3. Woche – 18. März

Freundschaftlicher Umgang mit Gott
Teresa von Avila (1515-1582)

1.
Teresa war 1525 gegen den Willen ihres Vaters in das Karmeliterkloster in Avila eingetreten. Nach 20 Jahren mittelmäßigen Lebens im Kloster erfährt sie Christus neu. Frucht dieser Begegnung ist das Streben nach einer grundlegenden Reform ihres Ordens mit der Rückkehr zu Armut, Einsamkeit und Gebet. Bis zu ihrem Tod gründet Teresa trotz zum Teil erheblicher Widerstände insgesamt 32 Klöster.
Die Schriften Teresas haben zum Ziel, ihre Erfahrungen der Christusfreundschaft anhand von Bildern mitteilbar zu machen. Seit 1970 ist Teresa „Lehrerin der Kirche“.


2
[zum Thema Gebet]

Die Zeit, die wir dem Herrn schenken, gehört ihm, nicht mehr uns.

Das innere Gebet ist nichts anderes als ein freundschaft¬licher Umgang mit Gott: Oft sprechen wir im Verborgenen mit dem, von dem wir wissen, dass er uns liebt.

Es ist weitaus wertvoller, von Zeit zu Zeit eine einzige Bitte des Vaterunsers zu beten, als das ganze Vaterunser öfters gedan¬kenlos zu sprechen.

Ich glaube, dass der Teufel nicht so viel Böses anrichtet wie unsere eigene Einbildungskraft und unsere schlechten Launen, zumal wenn Melancholie hinzukommt.

Es kommt vor allem darauf an, entschlossen zu beginnen. Wer entschlossen beginnt, hat schon einen guten Teil des Weges hinter sich.

Eine zu tiefe und lang andauernde Versunkenheit bei geist¬lichen Übungen führe ich auf eine Schwäche zurück. Man sollte seine Zeit nicht so lange in Träumereien zubringen … Gott hat ebenso großes Wohlgefallen, wenn man über seine Geschöpfe, die er aus dem Nichts erschaffen hat, nachdenkt, wie wenn man an den Schöpfer selbst denkt. Je mehr wir uns in die Wunderwerke Gottes vertiefen, desto mehr offenbaren sie uns seine Herrlichkeit.


3
Ich wähle einen Satz, der mich angesprochen oder herausgefordert hat. Ich lese ihn mehrmals und denke darüber nach. Dann formuliere ich mit eigenen Worten ein kurzes Gebet.

3. Woche – 19. März

Teresa von Avila

2
[Gottesliebe und Nächstenliebe]

Solange jemand allein lebt, kann er sich leicht für heilig halten; erst in der Gemeinschaft wird er spüren, ob er wirklich demütig und geduldig ist.

Sie meinen, auf Andachtsgenüsse komme es an. Nein, meine Schwestern, nein, Werke will der Herr. Wenn du weißt, du könn¬test einer Kranken Linderung bringen, so lass ohne Zögern ab von deiner Andacht, und tu`s.

Es kommt nicht darauf an, viel zu denken, sondern viel zu lieben. Darum tut das, was in euch am meisten Liebe weckt.

Das sicherste Zeichen, ob wir das doppelte Gebot erfüllen, ist meines Erachtens die treue, opferbereite Liebe zum Nächsten. Denn ob wir Gott lieben, können wir nicht wissen, höchstens es vermu¬ten; aber ob wir den Nächsten lieben, das können wir wissen.

3
Ich wähle einen Satz, der mich angesprochen oder herausgefordert hat. Ich lese ihn mehrmals und denke darüber nach. Dann formuliere ich mit eigenen Worten ein kurzes Gebet.

3. Woche – 20. März

Freiheit der Kinder Gottes

Philipp Neri (1515-1595)

1.

1515 in Florenz geboren, verbrachte Ph. Neri sein Leben in Rom als Straßenmissionar und „heiliger Komödiant“. Er gilt als „Narr um Christi willen“ (1 Kor 4,10) die Freude des Evangeliums und die Torheit des Kreuzes wählte und dies oft überraschend darstellte. 

Über Ph. Neris Zimmer stand „Herberge zur christlichen Fröhlichkeit“. Dort entstand das Oratorium: eine Lebensgemeinschaft ohne Gelübde für Laien und Priester, in der man eine Verbindung des Geist¬lichen mit dem Weltlichen suchte. Hier betete man, legte die Hl. Schrift aus und übte sich im Gesang.

2.

[„Herberge zur christlichen Fröhlichkeit“]

Skrupel und Melancholie, macht, dass ihr von meinem Haus wegkommt!

Der wahre Weg, gut zu bleiben, ist heilige Fröhlichkeit.

Die innere Fröhlichkeit des Christen ist eine Gabe Gottes … Wohl hat die Gott befreundete Seele auf der dunklen Pilgerfahrt durch dieses Leben auch ihre Trauer …; aber doch herrscht die Freude vor, wenn wir die von Gottes väterlicher Güte für uns erschaffenen Dinge betrachten … Ich fürchte, dass die wahre, dauernde Freude weitab von den Höfen der Könige und Fürsten weilt, ebenso auch ferne von den Palästen der Kardinäle und Bischöfe, namentlich wenn sie reich sind.

Der Herr wird uns niemals eine Trübsal senden, ohne dass er uns gleichzeitig eine Tröstung schickt, wenigstens innerlich. Und wenn er uns die Qual schickt, sollen wir heiter sein, weil er uns auch die Tröstung schicken wird.

3.

Mein Haus, mein Zimmer: Welche Atmosphäre beherbergt es?

Freude ist nach Paulus eine Frucht des Hl. Geistes: Woran merke ich, dass Freude nicht gleich Freude ist? 

Im Vergleich: Woran kann ich mich heute mehr freuen als früher?

Gibt es in meinem Leben einen Raum für das Spiel, einen Raum der Zweck- und Warumlosigkeit?

Bibelstellen: Mt 5,4; Gal 5,22; Phil 4,4-7; 1 Thess 5,16; Offb 21,3-4.

3. Woche – 21. März

Philipp Neri

1
Von Ph. Neri sind eine Reihe von Stoßgebeten überliefert. Sie geben Aufschluss über seine tief empfundene Nähe zu Jesus Christus. Philipp wusste genau um seine Schwäche und bemühte sich, in der Gegenwart Gottes zu leben.

2
[„Mein Jesus“]

Oft hörte man ihn sagen: Lass mich den heutigen Tag gut be¬enden, dann habe ich keine Angst vor morgen.

Herr, wenn Du mich willst, komme ich: Hier bin ich, auch wenn ich nichts Gutes zustande gebracht habe; mach Du`s.

Herr, nimm Dich heute vor mir in Acht. Ich habe Angst, dass ich Dich verrate.

Mein Jesus, lass mich Dich nicht beleidigen.

Ich kenne dich noch nicht, Jesus, weil ich dich nicht suche!

Ich möchte dich lieben und finde den Weg nicht.

Mein Jesus, ich möchte dich doch lieben!

Was kann ich machen, wenn du mir nicht hilfst?

Wenn du mir nicht hilfst, gehe ich unter!

Gib mir Kraft, mein Jesus, dass ich dich nicht aus Furcht, sondern aus Liebe lieben kann.

Ich suche dich und finde dich nicht, mein Jesus, komm zu mir!

Jesus, sei mein Jesus.

3
Welches ist heute mein Gebet?

Welches Gebet lege ich auf mein Nachtkästchen – für diese Woche?

Bibelstellen: Mk 10,47; Lk 23,42; Offb 22,20.

3. Woche – 22. März

„Gott ist gegenwärtig“
Gerhard Tersteegen (1697-1769)

1.
Gerhard Tersteegen, „der Heilige im Protestantismus“ (W. Nigg), ist Dichter inniger geistlicher Lieder (vgl. Gotteslob Nr. 387). In reformierter Tradition erzogen, führte er nach einer Kaufmannslehre ein zurückgezogenes Leben. Er gründete eine geistliche Bruderschaft und übersetzte geistliche Literatur.
„Christ zu sein ist etwas Großes, oder es ist gar nichts“, sagt Tersteegen mit der Unbedingtheit des von Gottes Liebe Berührten. Im Zentrum seiner Botschaft stehen das Leben in der Gegenwart Gottes in Selbstverleugnung, Gebet, Stille, Dankbarkeit und Christusnähe.

2.

Die Luft, worin wir leben, ist uns nahe; die Luft ist in uns, und wir sind in der Luft; Gott ist uns unendlich näher, wir leben und schweben in Gott; wir essen, trinken, arbeiten in Gott; wir denken in Gott; und wer Sünde tut – erschrick nicht, dass ich so rede –, der sündigt in Gott. Diese Gegenwart Gottes ist unbegreiflich; wir können und müssen uns kein Bild davon machen, sondern es nur so einfältig glauben … Gott ist uns viel inniger als das Allerinnigste in uns; da ruft er uns; da wartet er auf uns, da will er sich uns mitteilen und uns also selig machen. Auch diese Gegenwart muss man einfältig glauben, ohne sie zu begreifen, ja ohne sie allezeit empfinden zu wollen.

3.
Sich von der Gegenwart Gottes kein Bild machen, sondern sie nur so einfältig glauben: Wie geht es mir dabei?

Jeder Mensch ist und bleibt „sinnlich“, also an die Sinne gebunden. Gott kann ich nicht sehen, greifen, fassen …

Ohne sie zu begreifen, ja ohne sie allezeit empfinden zu wollen: Der Glaube an die Gegenwart Gottes ist zu unterscheiden von der Erfahrung / vom Gefühl der Gegenwart Gottes. Sie sind nicht zu verwechseln.

Geht es mir um Gott, oder geht es mir um meine Erfahrung Gottes? Franz von Sales rät: Suche nicht den Trost Gottes, sondern den Gott des Trostes.

3. Woche – 23. März

Gerhard Tersteegen

Die Übung der Gegenwart Gottes

Die Übung der Gegenwart Gottes hat in der Geschichte der christlichen Frömmigkeit eine lange und gute Tradition. Sie be¬steht darin, sich mehrmals am Tage in die Gegenwart Gottes zu stellen und sich bewusst zu machen: Gott, du bist da, du bist nahe; ich bin in dir.

Bibelstelle: Apg 17,27-28

Abschlussgebet aus dem Lied Gott ist gegenwärtig (Gotteslob 387,1.6)

Gott ist gegenwärtig. / Lasset uns anbeten / und in Ehrfurcht vor ihn treten./
Gott ist in der Mitte./ Alles in uns schweige / und sich innigst vor ihm beuge./
Wer ihn kennt,/ wer ihn nennt,/ schlag die Augen nieder;/
Kommt, ergebt euch wieder.

Du durchdringest alles; / lass dein schönstes Lichte,/ Herr, berühren mein Gesichte./
Wie die zarten Blumen/ willig sich entfalten/ In der Sonne stille halten,/
lass mich so / still und froh/ deine Strahlen fassen/
und dich wirken lassen.

3. Woche – 24. März

Rückschau der dritten Woche

Wiederholungsbetrachtung

„Wiederholungsbetrachtung“ ist ein Begriff aus der Tradition der Geistlichen Übungen (Exerzitien) des Ignatius von Loyola (1491-1556, Gründer des Jesuiten¬ordens). Bei dieser „Wiederholungsbetrachtung“ sollen jene „Teile beachtet werden, bei denen die Person eine bestimmte Erkenntnis, Tröstung oder Trostlosigkeit verspürt hat“ (Exerzitienbuch Nr. 118).

Im Rückblick auf die letzte Woche beschäftige ich mich nochmals mit jener Person, die mich am meisten fasziniert hat: Wer hat mich am meisten angesprochen? Warum? Ich versuche, das herauszufinden.
Eine andere Möglichkeit: Ich nehme mir noch einmal die Einheit her, die mir beim ersten Mal schwer zugänglich war.
Oder: Ich schreibe in einem Brief die Eindrücke und Erfahrungen dieser Woche nieder.

4. Woche – 25. März

Geschaffen für die Liebe
Therese von Lisieux (1873-1897)

1

Therese Martin (Therese von Lisieux, die sog. Kleine Therese) verlor früh ihre Mutter. Eine Marienvision brachte nicht nur Heilung von unerklärlichen gesundheitlichen Problemen, sondern festigte in ihr (trotz einer Anlage zur Traurigkeit) das Vertrauen, von Gott geliebt zu sein. Therese setzte es durch, als 15-Jährige in den Karmel von Lisieux aufgenommen zu werden. Sie litt bald nach ihrem Klosterein¬tritt unter Glaubenszweifel, die sich gegen Ende ihres kurzen Lebens zu einer radikalen Anfechtung des Glaubens verdichteten. Das Leid stand im Zentrum ihres Lebens: Therese verstand es als Mit-Leiden mit Jesus; nicht aus krankhafter Freude am Leid, sondern aus Liebe zu Jesus.

2

Lieben wir, denn unser Herz ist nur dazu geschaffen.

Gewiss kann man fallen, kann Treulosigkeiten begehen; aber die Liebe weiß ja aus allem Nutzen zu ziehen.

Ich wünsche nicht die fühlbare Liebe; es genügt mir, dass sie für den Herrn fühlbar sei.

Gott schenkt uns seinen Himmel umsonst.

Es gibt eine Wissenschaft, die er nicht kennt: das Rechnen.


3
Ich erinnere mich an meine göttliche Herkunft, an meine Würde, und an die jedes Menschen!
Ich bin zur Hingabe fähig und berufen, zum Bekenntnis der Kleinen Therese zu finden: Mein Gott, ich liebe dich.

Was hilft mir, mehr Selbstvergessenheit an Stelle des Aufrechnens einzuüben? Welche meiner persönlichen Beziehungen sind unterschwellig von Berechnung gesteuert?

Bibelstellen: Jes 55,1; Lk 6,31-36; Röm 13,8; 2 Kor 9,11.

4. Woche 26. März


Der kleine Weg
Therese von Lisieux

1
Therese lehrt den sog. Kleinen Weg der geistigen Kindheit: Von Gottes Liebe getragen, vermag der Mensch das Kleinste in großer Weise zu tun.

2

Aus Liebe eine Stecknadel aufheben kann eine Seele bekehren. Welches Geheimnis! … Jesus allein kann unserem Tun einen solchen Wert verleihen, lieben wir ihn also mit allen unseren Kräften.

Der Herr verlangt keine Großtaten, sondern nur Hingabe und Dankbarkeit.

Unser Herr sieht nicht so sehr auf die Größe unserer Handlun¬gen, nicht einmal auf ihre Schwierigkeit, als vielmehr auf die Liebe, mit welcher wir sie verrichten.

3
Ich versuche, den „kleinen Weg“ für mein Leben zu verstehen. Wo und wie kann ich Liebe zu Jesus zeigen?

Wo stehe ich in der Gefahr, auf der Suche nach dem „großen Wurf“ die kleine Gelegenheit, das Naheliegende, die konkrete Verwirklichung im Jetzt des Alltags zu übersehen?

Bibelstellen: Mt 18,1-5; Lk 7,47.

4. Woche – 27. März

Bruder aller Menschen
Charles de Foucauld (1858-1916)

1
Charles de Foucauld, dessen Eltern früh verstarben, verliert mit 16 Jahren den Glauben. Die Offizierslaufbahn führt ihn nach Algerien, doch er wird aus der Armee entlassen. Sein haltloses Leben bekommt eine Richtung, als er sich freiwillig zu einem Militäreinsatz gegen aufständische Algerier meldet: Er bewährt sich und wird von der Wüste in Bann gezogen. Nach unruhiger Suche, in der die Frage nach Gott eine immer zentralere Rolle spielt, erlebt Charles 1886 seine Bekehrung: Sobald ich wusste, dass Gott existiert, konnte ich nur noch für ihn leben. Nach und nach erkennt Bruder Karl seine Berufung: Bruder aller Menschen sein, und zwar auf dem letzten Platz; das verborgene Leben Jesu in Nazaret nachleben, vor allem unter den verlassen¬sten Menschen; Anbetung und Gastfreundschaft.

2
Mein Gott, wenn es dich gibt, lass es mich erkennen!

Sobald ich wusste, dass Gott existiert, konnte ich nur noch für ihn leben.

Jesus genügt: Wo er ist, fehlt nichts.

Wenn man die Menschen liebt, lernt man Gott lieben. Das Mittel, die Liebe zu Gott zu erlangen, ist Liebe zu den Menschen üben.

3

Leidenschaft für Gott – kenne ich das?

Gottesliebe und Nächstenliebe: ‚Die Menschen lieben‘ ist leicht, einen mühsamen Menschen in meiner Umgebung lieben, bejahen und achten dagegen schwer.

Ich meditiere das Lied Gotteslob 368 O lieber Jesu, denk ich dein.

4. Woche 28. März

Bruder Karl – 2

2

Das beste Gebet ist jenes, das am meisten Liebe enthält.

Zwei Dinge sind nötig, damit unser Leben ein Leben des Gebetes sei: erstens müssen wir jeden Tag eine hinlängliche Zeit aus¬schließlich dem Gebet einräumen, und zweitens müssen wir während der Stunden, in denen wir anderen Beschäftigungen nach¬gehen, eins bleiben mit Gott, uns seiner Gegenwart bewusst bleiben.

3
Wenn ich wieder einmal „unzufrieden“ bin mit meinem Gebet: es kommt auf die Liebe an.

Mein Leben – ein Leben des Gebetes?

Was könnte eine hinlängliche Zeit für mich in meinen Lebensbedingungen bedeuten?

Die Übung der Gegenwart Gottes nicht aus dem Auge verlieren …

Bibelstellen: Lk 18,1; 1 Thess 5,17.

4. Woche – 29. März

Den Mut haben, vom Leben zu lernen
Hildegard Burjan (1883-1933)

1

Hildegard Burjan wurde 1883 in Görlitz an der Neisse gebo¬ren. Sie studierte Germanistik und Philosophie in Zürich sowie Sozialpolitik und Nationalökonomie in Berlin. Nach Heirat und schwerer Erkrankung fand sie, jüdischer Abstammung und konfessionslos erzogen, zum katholischen Christentum: Sie ließ sich taufen.
Nach der Übersiedelung nach Wien ent¬deckte H. Burjan ihre Sendung: die soziale Arbeit. Sie wurde Abgeordnete zum Österreichischen Nationalrat und profilierte sich als Sozialpolitikerin. 1919 gründete sie eine geistliche Schwesterngemeinschaft, die Caritas Socialis.

2
[H. Burjan hört als Kind betende Klosterfrauen im be¬nachbarten Klostergarten und fragt:] Wo ist Gott? Ich will auch zu Gott beten!

Gott, wenn Du bist, zeige Dich mir!

O Schwestern, Ihr wisst nicht, wie glücklich Ihr seid, im wahren heiligen Glauben aufgewachsen zu sein; ich musste Gott erst suchen; wie oft habe ich in die Kissen Tränen geweint und gefleht: O Gott, lass mich Dich finden!

3
Kenne ich ähnliche Suchbewegungen im Glauben?

Glaube ich mehr auf der Seite der ‚Glaubensgewissheit‘ oder mehr auf der Seite des angefochtenen Glaubens?

Habe ich eine Ahnung von der Kostbarkeit des (meines) Glaubens?

Was ist mir im Glauben durch mein Suchen teuer geworden?

Bibelstellen: Psalm 42; 63.

4. Woche 30. März
Vom Leben Lernen – Wachsen
Hildegard Burjan
2
Wir müssen den Mut haben, vom Leben zu lernen.
Jeder Mensch muss seine ureigensten Erfahrungen machen, und wir wollen möglichst wenig uns durch andere beirren und unruhig machen lassen.
Ich bin immer für ein vertrauensvolles Vorwärts- und Auf¬wärtsschreiten – es geht schon voran, wenn man es auch vor lauter Sorgen nicht immer merkt.
Wir müssen vom göttlichen Herzen Geduld lernen, auch mit uns selbst.
3
Inwiefern braucht es Mut, vom Leben zu lernen?
Glaube ist eine tägliche Vertrauensübung, um darin ein kleines Stück Jesus näher zu kommen: Bin ich bereit zu dieser schlichten Bemühung, ohne der nichts wächst?
… Geduld lernen, auch mit uns selbst: Wo bin ich auf Geduld angewiesen?
H. Burjan plädiert für einen je persönlichen Stil der Frömmigkeit. Wie schaut meiner aus?
Bibelstelle: Röm 15,5
Pfarrassistentin Roswitha Sternberg
Foto Nikolaus
Ist möglicherweise ein Bild von außen und Baum
 
 
 
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