In einigen Wochen endet das „Jahr des heiligen Josef“. Papst Franziskus rief es im Dezember 2020 mit dem Apostolischen Schreiben „Patris corde“ („Mit väterlichem Herzen“) aus. Sich mit der Figur des hl. Josef zu beschäftigen, ist, wie sich noch zeigen wird, in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn! Einer der Anlässe dieses Schreibens waren übrigens die „Systemerhalter“ in der Covid-19-Pandemie. Diese habe gezeigt, welche Bedeutung „gewöhnliche“ Menschen haben: jene, die im Hintergrund treu ihre Arbeit für die Anderen verrichten und Verantwortung übernehmen – so wie der heilige Josef.
Ausgehend von den biblischen Zeugnissen über Josef lade ich Euch ein, über einige Themen, die für das Menschsein und für das Christsein wichtig und die das Leben des Hl. Josef bestimmt haben, nachzudenken. Im Oktober werdet Ihr dazu jeweils am Mittwoch einen Impuls erhalten.
Eure Roswitha Sternberg
Josef stand mehrfach vor herausfordernden Situationen.
Die Geburt Jesu steht unmittelbar bevor. Was tun? Josef richtet einen Stall her und bereitet ihn so, dass es für den in die Welt kommenden Sohn Gottes halbwegs erträglich ist (vgl. Lk 2,6-7). Oder: Herodes will das Kind töten. Josef wird im Traum gewarnt. Was tun? Er organisiert mitten in der Nacht die Flucht nach Ägypten (vgl. Mt 2,13-14).
Wenn wir auf Schwierigkeiten treffen, was ist mein / unser Muster? Rückzug und das Feld räumen? Oder die Sache irgendwie angehen? Wir machen doch auch die Erfahrung, dass gerade Schwierigkeiten in uns ungeahnte Ressourcen zum Vorschein bringen.
Gott wirkt nicht „direkt“, sondern durch Ereignisse und Menschen. Er sorgt für die Anfänge der Erlösungsgeschichte – durch Josef. Das „Wunder“, durch das Gott das Kind und seine Mutter rettet, ist Josef. Gott vertraut dem kreativen Mut dieses Mannes.
Gehorsam
Die jüngere Geschichte zeigt, dass das Wort „Gehorsam“ vielfach belastet ist (Shoa, Missbrauch, Erziehung in Familie und Schule etc.). Im Wort Gehorsam steckt „Hören“.
Gemeint ist eine Haltung der Aufmerksamkeit, die nicht schon beim Hören auswählt und bereits abwehrt oder sich eine Gegenrede ausdenkt. Ein gehorsamer Mensch (im Sinne der Bibel) meint nicht, er wisse alles besser und habe allein den vollkommenen Überblick.
Josef ist gehorsam. Das zeigt sich im Hören auf die Träume, in denen Gott ihm etwas sagen will. Das wäre nachzulesen in Mt 1,20-21.24; Mt 2,13-15; Mt 2,19-23 (zwei Träume). Der Gehorsam des Josef zeigt sich ferner, dass er sich an der Tora orientiert, also das Gesetz „beobachtet“ (vgl. Lk 2,21-24). Wenn es vom heranwachsenden Jesus heißt, „er war ihnen [Maria und Josef] gehorsam“ (Lk 2,51), wird er das von seinem Vater gelernt haben.
Annehmen
Haben wir uns nicht alle unser Leben anders vorgestellt? Und was machen wir mit den vielen Irritationen, also dem Unvorhergesehenen, das unsere Wege (durch-)kreuzt?
Oft passieren in unserem Leben Dinge, deren Bedeutung wir nicht verstehen. Der erste Reflex ist Enttäuschung und Widerstand. Auch Josef wird mit dem Rätselhaften, das ihm zugemutet wurde, gerungen haben. Gott greift dauern in sein Leben ein mit neuen Weisungen und Sendungen. Es erscheint ihm rätselhaft, aber er gibt dem Raum, was geschieht und nimmt es an.
Josef ist ein „Vater im Annehmen“ vor allem deshalb, weil er Maria ohne irgendwelche Vorbedingungen annimmt (Mt 1,24). Er hat nicht alle Informationen, aber er entscheidet sich für Maria.
In der „zweiten Reihe“
Jeder Mensch braucht Anerkennung. Wo sie nicht geschenkt wird, kann sich Leben nicht entfalten. Auf mehr oder weniger subtile Weise kämpfen wir alle darum.
Josef war ein Mensch, dem es geschenkt war, in der „zweiten Reihe“ seine Sendung zu finden. Er konnte im Schatten stehen, ohne – im engen Sinn des Wortes – ein Wort zu sagen. In der Bibel ist kein einziges Wort von ihm überliefert. Seine „Worte“ bestehen in seinen Taten und in seinen Haltungen.
Josef verstand es, Vater zu sein, nämlich das Kind Jesus an die Erfahrung des Lebens heranführen. Damit befähigte er Jesus zur Freiheit und zum Aufbruch.
Flucht
Millionen von Menschen befinden sich auf der Flucht. Sie sind gezwungen, ihr Leben zu riskieren, weil sie aufgrund ihres Glaubens oder Ethnie verfolgt werden. Andere flüchten vor Not und Hunger. Wieder andere flüchten vor inneren Zuständen. Schließlich gibt es auch die innere Emigration, weil Anerkennung fehlt.
Das Evangelium berichtet über die Flucht der Hl. Familie nach Ägypten. Dort stellte sich die Überlebensfrage. Deshalb ist der heilige Josef ein besonderer Schutzpatron für all jene, die wegen Krieg, Hass, Verfolgung und Elend ihr Land verlassen müssen.
Flucht und Migration sind Themen, die unsere Gesellschaft beschäftigen, sicher auch in Zukunft. Wie positioniere ich mich? Lasse ich mich noch berühren? Habe ich Kontakt mit einem konkreten Menschen, den es betrifft?
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40)