Die sieben Werke der Barmherzigkeit – neu gelesen
Die Heiligen ließen sich auf ein Leben mit Gott ein. Das Hören auf Gott führte sie in den Dienst für die Menschen – auf viele Arten und Weisen (die einen mehr im stillen Gebet, die anderen mehr im aktiven Tun). Der November gilt als Caritas-Monat, in dem besonders die Hl. Elisabeth verehrt wird.
Sie ließ sich in ihrem Tun und Handeln durch ihre Verbundenheit und Liebe zu Jesus Christus dem leidenden Gottessohn leiten.
Aus diesem Anlass möchte ich die sieben Werke der Barmherzigkeit jetzt im November mit euch teilen.
Pfarrassistentin Roswitha Sternberg
Du gehörst dazu
Was unsere Gesellschaft oft kalt und unbarmherzig macht, ist die Tatsache, dass in ihr Menschen an den Rand gedrückt werden: die Arbeitslosen, die Ungeborenen, die psychisch Kranken, die Ausländer usw. Das Signal, auf welche Weise auch immer ausgesendet: „Du bist kein Außenseiter!“ „Du gehörst zu uns!“- z. B. auch zu unserer Pfarrgemeinde – das ist ein aktuelles Werk der Barmherzigkeit.
Ich höre dir zu
Eine oft gehörte und geäußerte Bitte lautet: „Hab doch einmal etwas Zeit für mich!“; „Ich bin so allein!“; „Niemand hört mir zu!“ Die Hektik des modernen Lebens, die Ökonomisierung der Pflege und Sozialleistungen zwingt zu möglichst schnellem und effektivem Handeln. Es fehlt oft – gegen den Willen der Hilfeleistenden – die Zeit, einem anderen einfach einmal zuzuhören. Zeit haben, zuhören können – ein Werk der Barmherzigkeit, paradoxerweise gerade im Zeitalter technisch perfekter, hochmoderner Kommunikation so dringend wie nie zuvor!
Ich rede gut über dich
Jeder hat das schon selbst erfahren: In einem Gespräch, einer Sitzung, einer Besprechung – da gibt es Leute, die zunächst einmal das Gute und Positive am anderen, an einem Sachverhalt, an einer Herausforderung sehen. Natürlich: Man muss auch manchmal den Finger auf Wunden legen, Kritik üben und Widerstand anmelden. Was heute freilich oft fehlt, ist die Hochschätzung des anderen, ein grundsätzliches Wohlwollen für ihn und seine Anliegen und die Achtung seiner Person. Gut über den anderen reden – ob nicht auch Kirchenkritiker manchmal barmherziger sein könnten?
Ich gehe ein Stück mit dir
Vielen ist mit einem guten Rat nicht geholfen. Es bedarf in der komplizierten Welt von heute oft einer Anfangshilfe, gleichsam eines „Mitgehens der ersten Schritte“, bis der andere Mut und Kraft hat, allein weiterzugehen. Das Signal dieses Werkes der Barmherzigkeit lautet: „Du schaffst das! Komm, ich helfe dir beim Anfangen!“ Unsere Sozialarbeiter der Caritas wissen, wovon ich rede.
Aber es geht hier nicht nur um soziale Hilfestellung. Es geht um Menschen, bei denen vielleicht der Wunsch da ist, Gott zu suchen. Sie brauchen Menschen, die ihnen Rede und Antwort stehen und die ein Stück des möglichen Glaubensweges mit ihnen mitgehen.
Ich teile mit dir
Es wird auch in Zukunft keine vollkommene Gerechtigkeit auf Erden geben. Es braucht Hilfe für jene, die sich selbst nicht helfen können. Das Teilen von Geld und Gaben, von Möglichkeiten und Chancen wird in einer Welt noch so perfekter Fürsorge notwendig bleiben. Ebenso gewinnt die alte Spruchweisheit gerade angesichts wachsender gesellschaftlicher Anonymität neues Gewicht: „Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude!“
Ich besuche dich
Meine Erfahrung ist: Den anderen zu Hause aufsuchen ist besser, als darauf zu warten, dass er zu mir kommt. Der Besuch schafft Gemeinschaft. Er holt den anderen ab, wo er sich sicher und stark fühlt. Die Besuchskultur in unseren Pfarrgemeinden ist sehr kostbar. Lassen wir sie nicht abreißen! Gehen wir auch auf jene zu, die nicht zu uns gehören. Sie gehören Gott, das sollte uns genügen.
Ich bete für dich
Wer für andere betet, schaut sie mit anderen Augen. Er begegnet ihnen anders. Auch Nichtchristen sind dankbar, wenn für sie gebetet wird. Ein Ort in der Stadt, wo regelmäßig und stellvertretend alle Bewohner in das fürbittende Gebet eingeschlossen werden, die Lebenden und die Toten – ist das nicht ein Segen? Sag es als Mutter, als Vater deinem Kind: ich bete für dich! Tun wir es füreinander, gerade dort, wo es Spannungen gibt, wo Beziehungen brüchig werden, wo Worte nichts mehr ausrichten.